Dienstag, 31. August 2021

Die wundersame Vermehrung der afghanischen Ortskräfte

Bin ich eigentlich der Einzige, der sich über die stetig wachsende Zahl der durch Deutschland zu rettenden Ortskräften aus Afghanistan wundert? Zur Erinnerung: Insgesamt waren zuletzt 1.300 Bundeswehrsoldat*innen in Afghanistan im Einsatz.

Am 18. Mai 2021 (also noch 3 Monate vor dem durch Bidens planlosen Auszug ausgelösten Desaster) konnte man in der ZEIT lesen, dass es sich um ca. 1.000 Menschen handeln würde.

Am 24. August las ich bei SPON, dass das "Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte" (welches ja die seriösesten Zahlen liefern können müsste), von ca. 8.000 Menschen und ihren Angehörigen ausging:
"Das Netzwerk warf der Bundesregierung vor, zu spät mit der Rückführung der Ortskräfte begonnen und sie durch bürokratische Hürden behindert zu haben. Nach seinen Angaben geht es insgesamt um 8000 Ortskräfte und Familienangehörige. Nach seinen Informationen könnten knapp 2000 bislang ausgeflogen sein."

Wenig später konnte man (ebenfalls bei SPON) Folgendes lesen:
"Seit dem 15. August, als der ehemalige afghanische Präsident Ashraf Ghani fluchtartig das Land verließ, hat die Bundesregierung laut der aktuellen Zahlen rund 3420 afghanischen Ortskräften und 12.980 Familienangehörigen eine Aufnahmezusage erteilt."

Frau Merkel äußerte sich ebenfalls dazu:


 

 

 

 

 

 



Wiederum später waren es laut Heiko Maas (der von Rücktritten bzw. dem Übernehmen kompletter Verantwortung für persönliches Versagen übrigens ebenso wenig hält wie vor ihm Klöckner, Scheuer und Spahn) schon "deutlich mehr":



 



Und gestern, am 30. August waren es bereits (Trommelwirbel) sage und schreibe 70.000 Menschen:


 

 

 

 

 
 


Die Bundeswehr war 20 Jahre lang in Afghanistan und niemand kann zuverlässig sagen, wie viele und welche Menschen in dieser Zeit für sie tätig waren? Denn dass diese unbedingt gerettet werden sollten, steht außer Frage. Mulmig wurde es mir aber ein bisschen angesichts der Tatsache, dass sich bereits bei der 1. Rückholung auch abgeschobene Straftäter (u.a. Vergewaltigung und Drogenhandel) befanden, die man nun auch nicht mehr abschieben kann, da Afghanistan dafür ja viel zu gefährlich ist. Aber das waren zum Glück nur "wenige Einzelfälle zu denen man sich nicht äußern will", zudem gilt laut Frau Baerbock ja:

 


 

 

 

 


Hier wundert mich allerdings der Plural im letzten Satz.

Sonntag, 29. August 2021

Die Wahl der Qual

Gerade das 1. (von insgesamt 3 ) „TV-Triell“ gesehen. Es ist wirklich erbärmlich peinlich, dass das die drei Besten sein sollen, die Deutschland aufzuweisen hat. Scholz ist ja nicht etwa deswegen als einziger Kandidat (im Gegensatz zu seiner Partei) wählbar, weil er so gut wäre, sondern weil er so unfassbar schlechte Gegner*innen hat:

Baerbock kann Habeck in keiner Weise das Wasser reichen und hat (wie Habeck ja selbst sagte) einfach die Geschlechter-Karte gezogen (ein Vorgehen, was den Grünen im Saarland zu Recht die Teilnahme an der Bundestagswahl gekostet hat) und dass Laschet Söder (den ich alles andere als sympathisch finde!) nicht nur von der Körpergröße hoffnungslos unterlegen ist, war auch schon vorher klar. Das gestrige Duell zwischen Habeck und Söder spielte jedenfalls in einer vollkommen anderen Liga.

Das einzig tröstliche ist, dass die (flächenmäßig 27 mal größeren und 4x höhere Einwohnerzahl) Vereinigten Staaten zwei noch größere Nieten hatte, nämlich einen psychopathischen Narzissten und einen senilen Umfaller.

Im Endeeffekt hätte ich lieber Peter Klöppel oder Nikolaus Blome als Bundeskanzler.

Sonntag, 8. August 2021

Warum ich "Lauterbach warnt" nicht mehr besonders ernst nehme

Jahrelang war ich ein großer Fan von Karl Lauterbach. In der (vor mir geschätzten) Talkshow "hart aber fair" war er immer mal wieder zu Gast und erwies sich meist als unaufgeregter, kompetenter und plausibel argumentierender Teilnehmer, zudem mochte ich seinen trockenen Humor und seine Selbstironie. Seine manchmal kontroversen Aussagen erwiesen sich im "Faktencheck" der Sendung am nächsten Tag so gut wie immer als korrekt. Zudem erinnerte er mich optisch an (den ebenfalls von mir geschätzten) Daniel Düsentrieb.

Mittlerweile hat er ja sogar eine eigene Talkshow ("Heute bei Karl Lauterbach: Markus Lanz!"), aber sein Fan kann ich beim besten Willen nicht mehr sein. Selbstverständlich ist mir klar, dass er damit gut leben können wird. Was aber brachte mich zu dieser Umkehr? 

Es war gar nicht sein ständiges Warnen vor Corona, auch wenn er das Virus ganz zu Beginn (was viele längst vergessen haben dürften) gar nicht ernst nahm ("Es wird in Deutschland wohl bei Einzelfällen bleiben“, "Mit massenhaft Infektionen ist nicht zu rechnen.", „Die Gefahr für die Mehrheit der Bevölkerung ist zum Glück sehr überschaubar.“) oder das Ausmalen der schlimmsten Szenarien (was ihm in diversen Portalen ja bereits den Spitznamen "Panik-Karl" einbrachte). Auch, dass er im Frühling 2020 ständig mit seinen Prognosen daneben lag, er einen Horror-Sommer skizzierte, der dann überhaupt nicht eintrat, sondern im Gegenteil die niedrigsten Inzidenzen und Intensivbettenbelegungen (und das ganz ohne Lockdown und Impfungen) seit Pandemiebeginn aufwies, änderte nichts an meiner Wertschätzung für ihn. Als es Richtung Herbst ging, stiegen die Inzidenzen und Klinikeinweisungen explosionsartig an - und natürlich hatte er das korrekt vorhergesagt: Ein Meteorologe, der pauschal für jeden Tag Regen vorhersagt, hat in Deutschland (bundesweit statistisch gesehen)  schließlich auch an ca. 130 Tagen Recht. Selbst seine extreme Medien-Überpräsenz störte mich zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht.

Was war es also, was mich an Lauterbach zweifeln ließ und lässt? Zum einen dass er (vor allem auf seinem Twitter-Kanal - aber auch mehrfach wöchentlich in anderen Medien) ständig vorveröffentlichte Studien (sogenannte Pre-Prints, die erst noch von Fachleuten und -Portalen begutachtet werden müssen, bevor man ihre Qualität und inhaltlichen Aussagen tatsächlich wissenschaftlich und evidenzbasiert beurteilen kann) benutzt(e), um seine Prognosen als Fakten darzustellen. Zum Anderen dass er immer wieder Behauptungen aufstellte, die jeglicher Grundlage entbehrten. Beispiele dafür finden sich mittlerweile unzählige, da viele Foren und Portale es sich bereits zur Aufgabe gemacht haben, alle Fälle zu sammeln, in denen er daneben lag (zuletzt in der WELT) aber besonders stachen für mich diese heraus:

  1. Erinnert sich noch jemand an die "englische Variante B117"? Die heißt heute ja längst (politisch korrekt) "Alpha"-Variante. Lauterbach behauptete am 10.03.2021 aufgrund eines Pre-Prints, dass sich bei dieser eine "um 67% erhöhte Sterblichkeit bestätigt" habe und sie daher "in einer 3. Welle in Deutschland leider dazu führen würde, dass viele Ungeimpfte noch kurz vor der Impfung sterben würden". Wie man 4 Wochen später lesen konnte, gab es diese erhöhte Sterblichkeit überhaupt nicht, lediglich die Ansteckungsgefahr war deutlich erhöht. Für Lauterbach war das dann ein "gutes wie überraschendes Ergebnis".

    Aber (höre ich jetzt manche Leser*innen sagen) ist das nicht der Kern aller Wissenschaft? Dass sich Erkenntnisse ständig ändern und es gerade für gute Wissenschaftler spricht, dass sie sich jeweils offen für neue Untersuchungen/Studien und deren Ergebnisse zeigen? Natürlich, aber genau das ist ja der Punkt: Seriöse Wissenschaftler würden ihre Aussagen und Prognosen viel vorsichtiger formulieren. Ein ernstzunehmender Experte hätte hier getitelt: "Wenn sich die Ergebnisse dieser vorläufigen (noch nicht begutachteten) Studie bewahrheiten und sie durch andere Studien anderer Länder bestätigt werden, könnte die britische Variante zu wesentlich mehr Todesfällen führen als das ursprüngliche Wildvirus". Klingt sperrig, nicht wahr? Wäre aber seriös!

    Nun könnte man ja anführen, dass Twitter (aufgrund seines Zeichenlimits) keinen Platz für langatmige Erklärungen lässt, aber dann darf er dieses Medium eben nicht für seine Prognosen nutzen. Zum anderen sprach er diese Warnungen ja auch genau so in jedes Mikrofon, das ihm hingehalten wurde und präzisierte sie auch nicht in seinen zahllosen Talkshow-Auftritten. Zumindest bis ihm die begutachteten Studienergebnisse schließlich das Gegenteil bewiesen.

  2.  Am 25.03.2021 unterstellte er vor Millionen Zuschauern bei "Maybritt Illner" dem spanischen Gesundheitsministerium, dass es die aktuellen Corona-Zahlen  auf Mallorca fälsche, um nicht als Hochinzidenzgebiet eingestuft zu werden. Dies führte dort zu verständlicher Empörung ("Wir sind hier schließlich nicht in einer Bananenrepublik, sondern in einem ernsthaft und professionell geführtem Land!"). Natürlich gab es überhaupt keine Hinweise auf die unverschämterweise von ihm unterstellten Tricksereien - aber bis heute habe ich keine Entschuldigung von ihm dazu gehört.

  3. Am 15.04.2021 behauptet er wiederum bei "Maybritt Illner", dass die Corona-Patienten auf der Intensivstation mittlerweile "im Durchschnitt etwa 47 bis 48 Jahre alt" seien: "Das sind Menschen mitten im Leben.”
    Wenig später musste er zugeben, dass es dafür überhaupt keine Datengrundlage gab und er auf "persönliche Schätzungen" zurück gegriffen hatte.

  4. Kinder würden an der "Delta"-Variante (vormals "indischen" Variante) viel schwerer erkranken und daher auch immer häufiger in britische Kliniken eingeliefert werden. Ebenfalls eine vollkommen falsche Aussage, die nicht auf Fakten, sondern einer (später zurückgenommenen) Einzelaussage beruhte, wie er später einräumen musste.

  5. Anstatt aus seinen Fehlprognosen des letzten Frühjahrs zu lernen, als er für den Sommer ja vor Horrorzahlen und vielen Toten warnte, verneinte er den saisonalen Faktor weiterhin und verspottete den Virologen Professor Hendrik Streeck auch noch öffentlich in (s)einer Talkshow. Wenig später musste er zurückrudern und Streeck "voll Recht" geben. Wie man mittlerweile einer Oxford-Studie entnehmen kann, macht der saisonale Faktor bis zu 40% aus.

  6.  Anlässlich der Fußball-EM, bei der wieder Zuschauer in den Stadien zugelassen wurden, schrieb er: „Es haben sich sicherlich Hunderte infiziert und diese infizieren jetzt wiederum Tausende. Die UEFA ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich.“ Dazu kann man heute in der Süddeutschen folgendes lesen:

    Die EM-Spiele in München haben laut dem bayerischen Gesundheitsministerium "keinen nennenswerten Beitrag zum Infektionsgeschehen im Freistaat" geleistet: lediglich fünf Corona-Infektionen im Zusammenhang mit dem Besuch eines EM-Spiels in München seien dem Landesamt für Gesundheit gemeldet worden. Zu den Spielen der UEFA EURO 2020 in München waren rund 14 500 Zuschauer in der Allianz-Arena zugelassen.

    Mit Public-Viewing-Veranstaltungen rund um die Spieltage würden bayernweit 18 Corona-Fälle in Verbindung gebracht, sagte ein Ministeriumssprecher. Außerdem seien fünf Besucher eines EM-Spiels im Ausland anschließend positiv getestet worden.

    Unnötig zu erwähnen, dass auch in England 3 Wochen nach dem EM-Finale die Zahlen (sowohl bzgl. der Inzidenz als auch der Intensivbettenbelegung) nicht etwa massiv stiegen, sondern sogar sanken - trotz "Freedom Day".

  7.  Obwohl es nach wie vor keine belastbaren Studien zu "Long Covid" bei Kindern gibt und diverse Experten sogar aussagen, dass es sich hier um eine Randnotiz und kein Massenphänomen handelt (die herkömmliche Influenza/Virusgrippe sogar schlimmere Folgen für Kinder hätte) , behauptet Lauterbach weiterhin vehement das Gegenteil. Natürlich beruft er sich hierbei wiederum nur auf Pre-Prints von Studien, die ihm in den Kram passen und ignoriert sämtliche gegenteiligen Aussagen wie z.B. die Studien aus Zürich und Dresden. Zusätzlich urteilt er in einer unglaublich anmaßenden Arroganz über die "Außenseiterpoistion" der Stiko, aber dass diese sicher "wieder zur vollen Blüte kommen werde". Spätestens hier hat Herr Lauterbach vollkommen über das Ziel hinaus geschossen.

    Dass 1 von 16.000 12-17-jährigen Jungen als Folge der Corona-Impfung eine Herzmuskelentzündung erleidet, ist (Stand heute) statistisch belegt. Wie hoch dagegen das Risiko für sie ist, an Corona zu erkranken und dann auch noch "Long Covid" zu erleiden, ist es (noch) nicht. Und genau deswegen liegt die Stiko mit ihrer derzeitigen Haltung noch vollkommen richtig und Lauterbach eben nicht. Zu dem unsäglichen Druck, der diesbezüglich auf Kinder und deren Eltern ausgeübt wird, hatte ich mich ja bereits hier ausgelassen

Ich bin daher wirklich sehr überrascht, dass ich nach wie vor täglich in diversen Kommentarspalten und Foren "Lauterbach hat fast immer Recht gehabt!" zu lesen bekomme. Und denke mir mittlerweile bei jeder Meldung, die mit "Lauterbach warnt" beginnt:
Nein, Lauterbach nervt! Und der Himmel möge uns davor bewahren, dass er mal Gesundheitsminister wird!

"Das Amt des Gesundheitsministers finde ich nach wie vor sehr reizvoll", sagte er in einem am Donnerstag veröffentlichten Gespräch mit dem "Spiegel". Er sei "recht zuversichtlich", dass ihn "diese Aufgabe nicht überfordern würde", so der 58-Jährige.

Diese Zuversicht teile ich überhaupt nicht.

PS. Als ich mein Posting gerade noch einmal durchlas, fiel mir auf, dass ich ja noch gar nicht Lauterbachs mittlerweile fast schon pathologisches Selbst-Widersprechen innerhalb kürzester Zeit erwähnte. Beispiel gefällig? Zwischen diesen beiden Aussagen liegen gerade einmal15 Tage:


Und eine weitere Woche später:


 

Montag, 31. Mai 2021

So nicht, Herr Spahn!

Ich halte es für ein absolutes Unding, mit welchen unlauteren Methoden Eltern pauschal dazu gedrängt werden (ohne jegliche valide Grundlage) ihre Kinder gegen Corona impfen zu lassen. Man muss doch gar nicht unbedingt an das damalige Pandemrix-Desaster erinnern, sondern sollte einfach lieber auf die Empfehlung der dafür zuständigen STIKO warten. Und wenn das Zeit braucht, weil die Zulassungsstudie von Biontech gerade einmal die lächerliche Anzahl von 1131 (!) geimpften Kindern umfasste, dann braucht es halt Zeit. Entsetzlich, wie oft ich jetzt überall lese und höre "Natürlich lassen wir unsere Kinder impfen, wir wollen uns doch nicht schon wieder den Urlaub versauen lassen". Pfui Teufel!

Es geht hier nicht um Malle, sondern darum, welchen konkreten Nutzen und welchen konkreten Schaden die Impfung für die Kinder bedeutet. Die Kinder müssen die Erwachsenen nicht schützen, die haben es schließlich selbst in der Hand, sich impfen zu lassen und somit zu schützen. Für "Herdenimmunität" werden sie auch nicht benötigt, dafür ist ihre Zahl zu klein. Und schon gar nicht, um Fluchtmutanten zu verhindern, denn sonst müsste man Kinder auch jedes Jahr gegen die herkömmliche Influenza impfen lassen - stattdessen lassen sich jedes Jahr gerade mal 15-20 Mio. Deutsche gegen Grippe impfen und nehmen es somit ja auch in Kauf, dass dadurch die Viren immer wieder mutieren und die Impfung jedes Jahr neu angepasst und verimpft werden muss.

Schwierig natürlich auch, auf "die Wissenschaft" zu hören, wenn sie sich solche medialen Zweikämpfe liefert wie in diesen beiden Screenshots zu sehen:

























Ich halte es da eher mit diesem SPIEGEL-Kommentar:

"12- bis 16-Jährige jetzt hastig zu impfen, wiegt das Politikversagen der vergangenen Monate nicht auf. Aber natürlich hofft die im Wahlkampf angekommene Politik, damit Stimmen von Eltern und Großeltern zu gewinnen. Schaut mal, wir tun doch was für die Kinder!
Digitalisierung in den Schulen, bessere Luftfilter: War uns alles zu teuer und zu aufwendig. Aber eine Impfung pushen, ehe sie vom zuständigen, unabhängigen Expertengremium bewertet wurde: Check, erledigt! Familienpolitik kann so einfach sein.
...
Es stellt sich daher die Frage, warum wir uns ein unabhängiges Gremium von Expertinnen und Experten leisten, das nach wissenschaftlichen Kriterien Nutzen und Risiken von Impfungen abwägt und Empfehlungen ausspricht, wenn wir offenbar nicht mehr auf dessen Rat hören wollen. Fragen wir künftig bei Risiken und Nebenwirkungen nicht mehr Arzt oder Apothekerin, sondern Bürgermeister oder Ministerin?"

Montag, 3. Mai 2021

Gefühlte Wahrheiten

 

Seltsam, in den letzten Monaten bekamen wir doch immer wieder eingebläut, dass sich sämtliche Maßnahmen bzgl. Corona erst mit einem mehrwöchigen Verzug auf den Intensivstationen bemerkbar machen können. Leuchtet ja auch ein: Inkubationszeit durchschnittlich 5-6 Tage (kann aber sogar bis zu 14 Tage betragen) und falls man dann symptomatisch erkrankt, ca. weitere 2-3 Wochen, bis man (bei schwerem Verlauf) auf der Intensivstation landet. Genauso wurde es doch immer wieder beschrieben.
 
Wie kann es also sein, dass die "Bundesweite Notbremse mit Ausgangssperre", die erst am 24.04. (also vor 9 Tagen) in Kraft trat, bereits jetzt Wirkung zeigen soll - siehe SPIEGEL-Meldung von heute?

"Intensivmediziner ziehen positive erste Bilanz von Bundesnotbremse
Die Ausgangssperren sind umstritten – zeigen aber nach Ansicht der Experten Wirkung: Intensivmediziner sehen einen positiven Effekt des Notbremsen-Gesetzes im Kampf gegen Corona."
 
Aha. Ich halte solche Schlagzeilen für nicht sehr klug, da sie nur Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern sind. Denn zum Einen (s.o.) kann die Ausgangssperre de facto ja noch gar keine Wirkung auf die Intensivstationen haben und zum Anderen gingen die Zahlen ja im Schnitt bereits seit dem 21.04. leicht runter - und tun das seitdem weiterhin. Für mich deutet das eher auf die Wirkung von Impfungen, milderen Temperaturen und Abschwächung innerhalb der besonders betroffenen (sogenannten "prekären") Hotspots/Infektionszentren hin.
 
Aber gut, wäre man an Evidenz-basierten Maßnahmen interessiert, wäre die Außengastronomie ja längst geöffnet, um Treffen in Innenräumen zu reduzieren (wie es u.a. die Niederlande, Frankreich, Belgien, Schweiz und Österreich - trotz teils wesentlich höherer Inzidenzen - tun).
Hierzulande hält man sich aber oft leider eher an "gefühlte Wahrheiten"- was betrüblicherweise auch immer wieder auf den Qualitäts-Journalismus zutrifft.

Samstag, 24. April 2021

#allesverunglimpfen

 

Ich finde es gruselig, dass mittlerweile jegliche öffentliche Äußerung mehrheitlich nicht mehr nach ihrem Inhalt beurteilt wird, sondern von welcher Seite sie Applaus erhält.
 
Sehr gut kann man das an #allesdichtmachen erkennen. In fast allen Medien, die ich gestern dazu konsumierte, gingen die Journalist*innen nicht etwa auf die Inhalte der (vormals 53) Videos ein, sondern erwähnten empört, dass diese "Beifall von Rechts" erhielten. Die Frankfurter Rundschau bezeichnete die Aktion als "platteste Propaganda im Stile rechtsdriftender Querdenker“ und führte zusätzlich in bester BILD-Hetze-Manier noch mal die Namen aller 53 Mitwirkenden auf, damit ihre Messer-wetzenden Foristen diese schon mal auf die stetig wachsende Liste der bösen Seite aufnehmen konnten, auf der auch schon Dieter Nuhr, Sahra Wagenknecht, Boris Palmer und andere "Nazis" stehen. Noch in 10 Jahren wird es dort heißen: "Liefers? Das ist doch der, der bei den Schwurbler-Videos der Coronaleugner mitgemacht hat!?"
 
Dass Liefers allen Ernstes danach sofort klarstellen musste, dass er nicht im Entferntesten zu den Querdenkern gehört und auch nicht die geringste Sympathie für die AfD verspürt, ist schon schlimm genug. Dass ihm das aber (siehe FR-Beitrag von S. Hebel) auch gar nichts nützte, da er sich ja trotzdem als "Brandstifter und in die Nähe von Lügenpresse-Schreiern" gibt, noch schlimmer. Aber auch der gemäßigte SPD-Politiker und WDR-Rundfunkbeirat Garrelt Duin sprang mit Schaum vorm Mund auf den donnernden Shitstorm-Express auf und forderte "die zuständigen Gremien" auf, die "Zusammenarbeit mit Liefers und Tukur schnellstens zu beenden".
 
Zwar löschte er seinen Tweet danach wieder, legte aber nach, dass sich Liefers und Co. klar in die Nähe von "Querdenkern und anderen Trollen" begeben hätten. Gleichzeitig beeilten sich zahlreiche andere Schauspieler*innen zu beteuern, dass sie die #allesdichtmachen-Aktion ganz ganz schlimm fänden und sich davon ganz deutlich distanzieren würden. Viele erdreisteten sich sogar, den Videos anzudichten, sie würden sich über die "80.000 an und mit Corona-Verstorbenen lustig machen" oder die "Nöte des Pflegepersonals in Kliniken verharmlosen". Ein Video nach dem anderen wurde daraufhin im Lauf des gestrigen Tages zurückgezogen und eine Entschuldigung nach der anderen wurde veröffentlicht. Ungläubig musste ich zur Kenntnis nehmen, wie Heike Makatsch es "unglaublich leid tat, dass ihr Video in die Hände von rechten Demagogen spielte".
 
Was ich hier stattdessen von gutem Journalismus erwartetet hätte? Differenzierung! Inhaltlich!
Wo sind eigentlich die vielen Nuancen geblieben, die es früher mal zwischen Schwarz und Weiß gab? Zum Beispiel helles Grau, kräftigeres Grau, dunkles Grau? Alles weg. Wäre hauptsächlich die (meiner Meinung nach durchaus berechtigte) Kritik geäußert worden, dass Sarkasmus und Ironie - welche in den Videos fast durchgängig als Stilmittel verwendet wurden - der Sache nicht dienlich seien und zudem oft falsch verstanden werden könnten, wäre das vollkommen in Ordnung gewesen. Aber stattdessen wurde die Kritik fast überall daraus abgeleitet, dass ein paar AfD-Heinis und Maaßen den Videos Applaus spendeten. Im Endeffekt dasselbe, was Sahra Wagenknecht aktuell mal wieder widerfährt, wenn Ausschnitte ihres neuen Buchs zitiert werden. Entweder ist man also Links (bzw. auf der politisch "richtigen" Seite) oder man ist Nazi. Entweder man findet alles toll, was unsere Regierenden an Corona-Maßnahmen verordnen oder man ist Querdenker.
 
Zwei Beiträge fand ich dann aber doch noch, die ich voll und ganz unterschreiben konnte. Interessanterweise von zwei politisch eigentlich sehr gegensätzlichen Twitter-Nutzern, nämlich Argo Nerd und Georg Restle:
 


 

Montag, 19. April 2021

Die "Menschenmilch des stillenden Elternteils"

 

Nein, diese Meldung des STERN ist jetzt tatsächlich kein Scherz. Und man sollte sich auch hüten, darüber Scherze zu machen. Als Joanne K. Rowling mal zu schreiben wagte, dass es für "Menschen, die menstruieren" doch bereits einen Begriff gäbe, nämlich "Frauen", erlebte sie einen Shitstorm, der seinesgleichen suchte (siehe dazu auch dieser sehr lesenswerte EMMA-Artikel). Toleranz wird von den Toleranten nämlich auch gerne mal mit Gewalt in die Köpfe hinein geprügelt, zumindest erhielt sie zahllose entsprechende Reaktionen. Dass nebenbei auch noch ihre Bücher (z.B. aus der "Harry Potter"-Reihe) öffentlich verbrannt wurden und sich ihre Gegnerschaft noch gegenseitig dazu anstachelte und selbstgerecht ermutigte, soll auch nicht unerwähnt bleiben. 
 
Ich dachte ja tatsächlich immer, dass es biologische Voraussetzungen gäbe, Kinder gebären und stillen zu können, hatte aber ganz vergessen, dass Stan bei Monty Pythons "Leben des Brian" ja auch "Loretta" sein wollte. Wenn eine geborene "Loretta" aber wiederum ab sofort "Stan" sein möchte, kann sie (pardon: "Er") ja selbstverständlich tatsächlich ohne jegliche OP Kinder gebären und stillen. Somit passt es ja wieder.
 
Es gab ja auch schon vor 2 Jahren den Fall, wo sich ein Mensch mit Hoden in kanadischen Waxing-Instituten für Frauen rasieren lassen wollte, überall abgewiesen wurde und dagegen (erfolglos) klagte.
Ich frage mich, ab wann das auch in Deutschland so geschieht, aber ganz sicher wird das unter einer Kanzlerin Baerbock schneller passieren als unter einem Kanzler Laschet oder Söder - oder was meint Ihr? Die Frage wäre allerdings, ob das oberste Priorität haben muss - und ob sich daraus Wahlempfehlungen ableiten lassen (Spoiler: Nein!).

 

Montag, 12. April 2021

Wenn Kopfschütteln zum Headbangen wird

Zum Fremdschämen und Kopfschütteln: Bereits vor 11 Monaten (im Mai 2020) konnte man Christian Drosten (und viele weitere Experten) sagen hören, dass eine Ansteckung mit Corona draußen/an der frischen Luft und mit 1,5 m Abstand "allenfalls eine theoretische Gefahr" darstellen würde. Stattdessen sollte man baldmöglichst in Innenräumen durch Luftreiniger/Lüftung/Abstand und (insbesondere wo all das nicht ausreichend umsetzbar sei) zusätzlich mit Masken das Ansteckungsrisiko senken: Vor allem in Kitas, Schulen und Büros.
 
Zudem ist ebenfalls seit letztem Sommer klar, dass nur ein umfangreiches Testen vor allem asymptomatischer Menschen die Infektionsherde und unerkannten Superspreader erkennen und isolieren kann. Karl Lauterbach wiederholte Gebetsmühlenartig immer wieder, dass man Schulen und Kitas nur öffnen dürfe, wenn mindestens 2x die Woche "verpflichtend getestet" würde.
 
Und was taten unsere "handelnden", verantwortlichen Politiker*innen? Sorgten sie flächendeckend für Schnelltests? Statteten sie die Schulen und Kitas mit Luftreinigern aus? Nein, natürlich nichts dergleichen. Selbst jetzt - im April 2021(!) - noch nicht. Manche erwägen aber nun stattdessen, verfassungswidrige, bundesweite Ausgangssperren einzuführen - also z.B. auch bereits vollständig Geimpften zu verbieten, ab einer bestimmten Uhrzeit das Haus für einen Spaziergang zu verlassen. Bar jeglicher Evidenz. Da dieser hilflose und gleichzeitig Allmachtsphantasien entlarvende Unsinn sowieso direkt von den entsprechenden Gerichten einkassiert werden würde: Geschenkt!
 
Aber ich würde mich als Verantwortlicher schämen, wenn ich diesen offenen Brief lesen müsste, der heute durch praktisch alle Medien ging und die (noch nicht einmal vollständigen) Versäumnisse der letzten 11 Monate aufzeigt. Zumal sowohl wissenschaftliche Untersuchungen als auch Beispiele aus der Praxis Bayerns und Baden Württembergs zeigten, dass die Ausgangssperre an sich den kleinstmöglichen Nutzen (wenn überhaupt) darstellen würde.
Man kann auch zusätzlich nach Frankreich und den Niederlanden (seit Mitte Dezember Lockdown mit abendlicher Ausgangssperre, trotzdem immer wieder steigende Zahlen) schauen, um zu erkennen, wie nutzlos dieser Schritt alleine wäre - und vor allem wie riskant: Denn mit solchen Aktionen verscherzt man es sich auch noch mit vielen "vernünftigen" Menschen, die immer brav alle Regeln eingehalten haben (und sich darüber hinaus sogar selbst zusätzliche Regeln auferlegten, um eine gegenseitige Ansteckung zu vermeiden) - zum Beispiel mit mir: 
 
Hier ist meine Grenze, ich lasse mir ohne wissenschaftlich plausible Erklärung nicht vorschreiben, wann ich die Spaziergänge durchführen werde, die ich brauche, um physisch und psychisch nicht abzubauen! Und schon gar nicht, wenn dieses Verbot ausschließlich auf einem für sich allein vollkommen unaussagekräftigen Inzidenzwert basiert, der weder einer durchgängigen Teststrategie folgt, noch eine Positivquote (bzw. die Anzahl der dafür durchgeführten Tests) aufweist, noch die jeweils aktuelle Impfquote bzw. Erkranktenquote (denn ein positiver PCR-Test besagt ja nachweislich weder, ob jemand symptomatisch erkrankt ist, noch ob er infektiös ist - dafür müsste man noch den Ct-Wert bzw. die Virenlast des Testergebnisses kennen) berücksichtigt. 
 
Und erst recht nicht, wenn die verantwortlichen Regierenden seit 1 Jahr praktisch sämtliche Hinweise und Empfehlungen ihrer sie beratenden Wissenschaftler*innen ignorieren (siehe oben und siehe "offener Brief" - und das ist ja nicht etwa der Erste) und sie den Pflegenotstand, den sie jetzt als "Grund" für ihre Maßnahmen vorgeben, selbst über Jahre fabrizierten und ignorierten! Seit Beginn der Pandemie verringerte sich die Anzahl der Pflegenden um weitere 10.000, weil sie sich das nicht mehr antun wollen und können. Bereits im Jahr 2018 fehlten aber schon 70.000 Pflegende. Und das ist auch der Grund, warum die Gesamtzahl der Intensivbetten schrumpft (denn ohne qualifiziertes Personal kann man sie nun mal nicht versorgen) und warum der aktuelle Anteil von 18% Covid-Patienten auf den Intensivstationen (Stand 13.04.2021) bei weiterem Anstieg bald zu noch größeren Problemen führen kann.
 
Und wenn die handelnden Personen ein wenig mehr auf Hirn statt auf Bauch setzen, unterdrücken sie eventuell ihre Söderschen Herrscherträume und denken vielleicht sogar mal darüber nach, ob es schlau ist, Menschen im Frühling ab 20 Uhr auf engstem (Innen)Raum einzusperren, anstatt ihnen zu ermöglichen, sich (sogar unter "kontrollierender Aufsicht", da mit Hygienekonzept und vorgegebenen Sitzabständen) in einen Biergarten oder sonstiges Restaurant/Café mit Außengastronomie zu setzen. Wer sich legal draußen treffen darf, macht es nämlich höchstwahrscheinlich nicht mehr illegal drinnen.

Samstag, 10. April 2021

Saskias Traumwelt

 

Weitere Meldungen:

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„Mickie Krause bevorzugt für die Produktion seines neuen Albums Lady Gaga und Beyonce als Backgroundsängerinnen gegenüber den sonst für ihn tätigen Heulbojen. Entscheidend sei aber, dass anschließend eine Tournee durch die führenden Opernhäuser und Fußballstadien stattfinde, sagte der Entertainer.“

„Martin Semmelrogge bevorzugt bei der Verfilmung seiner Memoiren den Regisseur James Cameron gegenüber Uwe Boll. Entscheidend sei aber, dass das Buch die weltweite Nummer 1 in allen Bestsellerlisten werde, sagte der Schauspieler.“

„Peter Altmaier bevorzugt Victoria’s Secret gegenüber Triumph bei seiner künftigen Karriere als Model für Unterwäsche. Entscheidend sei aber, dass er noch ein bis zwei Kilo abnehme, sagte der Wirtschaftsminister.“