Wirklich schade, dass unser monothematischer Corona-Minister mittlerweile zu seiner eigenen Karikatur wird. Verwahrte er sich noch am 16.02.2022 gegenüber dem ihm schon oft geäußerten Vorwurf, er sei ein Panikminister, hatte er am Ostersonntag mal wieder nichts Besseres zu tun, als als EU-weit einziger Schreier seine unsachlichen Weltuntergangsprophezeiungen herauszuposaunen (oder handelt es sich evtl. um den Titel seines nächsten Buchs?). Es sei durchaus möglich, dass man eine hochansteckende Omikron-Variante bekomme, die so tödlich wie Delta sei. Das wäre „eine absolute Killervariante“, sagte Lauterbach wörtlich
Abgesehen davon, dass wir hier nicht von Ebola reden, verlief die Delta-Variante bei 40-50% aller Infizierten symptomlos (aufgrund der Dunkelziffer vieler unerkannter Infektionen ist der reale Wert natürlich höher) und ihre Letalität lag bezogen auf alle Altersgruppen und Impfstatus bei ca. 0,1-0,2% (wegen der o.g. Dunkelziffer also niedriger) - und Geimpfte hatten natürlich ein ca. 90% geringeres Risiko, an ihr zu versterben - unter den dreimal geimpften Personen sank die Sterberate über alle Altersgruppen auf 0,1 Todesfälle pro 100.000 Einwohner). Entsprechend ließen die Reaktionen darauf (u.a. von besonneneren Wissenschaftlern) natürlich nicht lange auf sich warten (unter anderem warfen ihm Virologen "Unwissenschaftlichkeit" vor - peinlicherweise nicht zum ersten Mal übrigens - und selbst aus den eigenen Reihen kommt mittlerweile scharfer Gegenwind) - aber ich hätte Vorschläge, wovor ein seriöser Gesundheitsminister tatsächlich mal warnen sollte:
- In Deutschland kommt es jedes Jahr zu bis zu 600.000 Krankenhausinfektionen (Infektionen, die man sich während seines Aufenthalts in einem Krankenhaus oder bei einer ambulant durchgeführten medizinischen Behandlung einfängt). Bis zu 20.000 Menschen sterben jährlich daran. Wie man so etwas vermeiden könnte, machen uns die Niederlande seit vielen Jahren vor
- Ca. 2.400 Menschen davon sterben an multiresistenten Erregern (MRE). Bakterien also, die gegen alle verfügbaren Antibiotika resistent sind. Und diese Zahl wird immer weiter wachsen, solange unsere Regierungen weiterhin den Einsatz von Reserve-Antiobiotika in der Massentierhaltung erlauben. Das ist übrigens einer der zwei Hauptgründe, warum man als Fleischesser (im eigenen Interesse) nur noch Bio-Fleisch zu sich nehmen sollte (ja, ist viel teurer, bedeutet also gegebenenfalls viel weniger Fleisch pro Monat - was gesundheitlich und ökologisch laut mehrheitlicher Experten-Meinung aber sowieso besser ist).
Wir bräuchten also längst dringend neue Antibiotika, aber leider ist das für die Pharma-Industrie nicht lukrativ genug. Zitat aus dem verlinkten Artikel:
"Die mangelnde Finanzkraft bekommt auch die Wissenschaft zu spüren: Forscher der Universität Würzburg haben einen Antikörper entdeckt, der resistente Bakterien bekämpfen soll. "Wir haben den Antikörper seit zwei Jahren fertig entwickelt und könnten direkt mit der klinischen Erprobung beginnen", sagt Knut Ohlsen vom Institut für Molekulare Infektionsbiologie der Uni Würzburg. Allein - es fehlt an Geld.
"Wir sind seit Jahren auf der Suche nach Kapitalgebern", erklärt Ohlsen und bringt das Problem auf den Punkt: "Je wirksamer und spezifischer ein Mittel ist, desto weniger Geld kann man damit verdienen. Der Antibiotika-Markt liefert nicht die Milliarden-Einnahmen, die sich ein Pharmakonzern oder ein Investorenkonsortium vorstellen." - Der Pflegenotstand hat sich seit Corona noch vergrößert - mittlerweile gehen Experten von mehr als 100.000 fehlenden Stellen aus. Bis 2030 werden bis zu 182.000 zusätzliche Pfleger*innen und sonstiges medizinisches Fachpersonal fehlen. Das ist alles seit vielen Jahren (lange vor Corona) bekannt, aber leider hat sich für die Betroffenen (außer zwischenzeitlichem Balkon-Applaus) nichts geändert.
- Die unsäglichen (durch Lauterbachs Einflüsterungen eingeführten) "Fallpauschalen" sind ein Grundübel, welches längst behoben werden müsste (unterhalten Sie sich mal mit Ärzt*innen und Pflegenden - nicht umsonst werden in Deutschland schon seit langem die meisten Knieoperationen durchgeführt) und Lauterbach sprach sich all die letzten Jahre (also zu Zeiten ohne politische Verantwortung) in seinen zahlreichen Talkshow-Auftritten und Tweets dafür aus, diese zu reformieren. Leider scheint er das mittlerweile vergessen zu haben und sich lieber zum wiederholten Male mit falschen und unsachlichen Absonderungen zurück in die Talkshows spielen zu wollen, denn seit der Omikron-Variante (und vor allem dem Krieg in der Ukraine) ist sein Typ nicht mehr so gefragt. 2021 war er sage und schreibe 40 mal in Talkshows zu sehen, womit er seinen eigenen, bisherigen Rekord aus dem Vorjahr gebrochen hatte.
- Der Ärztemangel auf dem Land ist ebenfalls ein seit vielen Jahren immer wieder vorgetragenes Problem. Dummerweise änderte sich auch hier praktisch bislang nichts, außer, dass das Problem (wie alle unbehandelten Probleme) größer wird.
Es gäbe noch viel mehr aufzuführen, aber ich habe ehrlich gesagt die Hoffnung aufgegeben, dass Lauterbach die Analyse und Deutung etwaiger Corona-Varianten echten Fachleuten - nämlich entsprechend ausgebildeten Virologen wie Schmidt-Chanasit, Drosten und Streeck (Letztere wurden ja extra in den Corona-Expertenrat der Bundesregierung berufen) - überlässt, er nicht weiterhin von Talkshow zu Talkshow hechelt, quasi rund um die Uhr twittert (und teilweise wirklich haarsträubenden Unsinn von sich gibt) und sich dann auch noch beklagt, dass der Tag zu wenig Stunden habe. Seine mangelhafte Selbstwahrnehmung hat schon pathologische Züge (es sprach Bände, als der wirklich sanfte und freundliche SPIEGEL-Autor Markus Feldenkirchen ihn in einem TV-Beitrag vorsichtig darauf ansprach, ob er nicht etwas zu häufig voreilig Dinge twittere, die sich später als nicht haltbar erwiesen, als einzige von Lauterbach zugegebene "Fehleinschätzung" die unsägliche - und natürlich ebenfalls falsche - Prophezeiung vom 28.10.2021 genannt bekam, dass die bislang Ungeimpften bis März 2022 "geimpft, genesen oder leider verstorben" seien). Feldenkirchens Gesichtsausdruck ist Gold wert, als Lauterbach allen Ernstes sagt: "...bei mir wird ja alles überprüft - das war eine unvorsichtige Aussage, aber das ist die Ausnahme." Stellen Sie sich hier bitte einen Tränen-lachenden Smiley vor.
Ich muss mich wiederholen: In den letzten Jahren gab es nur einen einzigen Politiker, für den ich mehr Faktenchecks fand/las, die seine falschen Aussagen oder Prognosen widerlegten, nämlich Donald Trump. Der ARD-Faktenfinder sah sich bereits im letzten Dezember gezwungen, schon zum 2. Mal einen "Faktencheck zu Lauterbach" zu veröffentlichen. Ich finde das nicht nur recht traurig, es macht mich (und viele in der Gesundheit arbeitende Menschen) auch ziemlich wütend. Als die Tagesschau den 1. Faktencheck veröffentlichte (das war im September 2020), reagierte Lauterbach übrigens wie folgt darauf:
Ich sehe weder das Bemühen, noch den Erfolg.