Montag, 6. November 2017

Wie uns Medien manipulieren

Neulich geriet ich in eine Diskussion über linke und rechte Gewalt. Dabei tätigte mein Gegenüber die Aussage: "In Deutschland werfen Neonazis fast täglich einen Brandsatz auf ein Flüchtlingsheim. Darüber wird aber öffentlich kaum berichtet. Auf dem rechten Auge ist man hier weiterhin blind!".

Ich erwiderte, dass ich ihm genug Beispiele für Medien nennen könne, die sehr zeitnah über solche Anschläge berichten würden und dass er bezüglich der Anzahl und Täter eventuell etwas durcheinander bringe - dass sogar viele Brände durch die Bewohner selbst gelegt bzw. verursacht würden, worauf er mich fragte, ob ich AfD-Wähler sei.

Dies verneinte ich wahrheitsgemäß mit wachsender Empörung und fragte ihn, auf welchen Quellen seine Aussage denn beruhe und erhielt als Antwort: "BKA! Kann man alles auf deren Homepage nachlesen!".

Heute begrüßte mich die "Frankfurter Rundschau" mit der Schlagzeile: "Asylbewerberheime in Deutschland: Fast jeden Tag ein Anschlag" (Link). Bebildert mit einem dramatischen Foto aus 2015, welches den brennenden Dachstuhl eines Heimes zeigt.

Im Artikel steht dann unter anderem:

"Laut einer Statistik des Bundeskriminalamtes gibt es im Schnitt nahezu jeden Tag einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Deutschland. Im Jahr 2017 wurden bis September demzufolge 211 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte verübt. Das berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“ am Montag unter Berufung auf die BKA-Statistik. Die meisten Straftaten hätten einen rechtsradikalen Hintergrund."

Unter dem Artikel kann man dann die Kommentare der FR-Foristen lesen - z.B.:

"Ist ja schön, dass hier ein paar Zahlen weitergegeben werden, aber mich würde doch mehr interessieren, zB. wer diese Kriminellen sind, die da Mord und Totschlag versuchen, wieviele gefasst und verurteilt wurden. Werden zB Fussfesseln eingesetzt bei Gefährdern?
Wahrscheinlich gibt es aber vom BKA keine Infos dazu (auf dem rechten Auge sind wir ja ziemlich blind - mein Eindruck), da müsste man dann selber recherchieren."

Ob das mein eingangs erwähnter Gesprächspartner ist, der sich jetzt bestätigt fühlt? Aber bzgl. seines Punktes "da müsste man dann selber recherchieren." konnte ich ihm nur zustimmen und fand dann bei der "ZEIT" diesen Artikel, der zwar ebenfalls eine reißerische Überschrift ("Jeden Tag ein Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft") trägt, aber in dem das Ganze schon etwas konkreter aufgeschlüsselt wird, was die "Attacken" angeht:

"Bei den meisten Fällen handelte es sich um Sachbeschädigung, Schmierereien und Propaganda sowie Überfälle und Gewaltdelikte. Auch zwölf Brandstiftungen und zwei Sprengstoffexplosionen wurden verübt."

Da nun bereits 2x auf die „Neue Osnabrücker Zeitung“ verwiesen wurde, las ich deren Artikel ("Jeden Tag ein Anschlag auf Asylbewerberheime") natürlich auch und erhielt erstmals konkrete Zahlen genannt:

"Bei den meisten Taten handelte es sich um Sachbeschädigung (74) , Schmierereien und Propaganda (71) sowie Überfälle und Gewaltdelikte (32). Es waren aber auch 12 Brandstiftungen und zwei Sprengstoffexplosionen darunter."

Nun sind Sachbeschädigungen, Schmierereien und rechtsradikale Propaganda natürlich verachtenswerte und zu ahndende Delikte, aber doch etwas ganz anderes als Anschläge auf Leib und Leben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: JEDER Überfall, JEDES Gewaltdelikt ist eines zu viel - aber die Überschrift der "Frankfurter Rundschau" hätte auch lauten können: "Asylbewerberheime in Deutschland: Bislang 12 Brandstiftungen und 2 Sprengstoffexplosionen durch Rechtsradikale in 2017". Das hätte aber nicht so schrecklich geklungen wie: "Fast jeden Tag ein Anschlag!" bzw. "211 Attacken".

Im Forum der "ZEIT" fand ich dann diesen Link zur INURI GmbH, der die komplette Brandstatistik von Flüchtlingsunterkünften zum letzten Jahr (2016) beinhaltet:

Das waren insgesamt 651 Fälle. 312 davon (also 47,9%) wurden durch die Bewohner selbst verursacht. Entweder durch Brandstiftung (auch 2017 gibt es dafür Beispiele siehe hier, hier, hier, hier und hier) oder unbeabsichtigt,  z.B. durch Feuerwerkskörper oder Kochen. Auch darüber schreibt die "Frankfurter Rundschau" übrigens gar nichts - sie differenziert in ihrem Artikel überhaupt nicht.

Und jetzt stelle man sich vor, sie hätte dafür diese Schlagzeile gewählt:
"Flüchtlinge verursachen 312 Brände in Flüchtlingsheimen!".

Absurd, nicht wahr? Deswegen nahmen sie ja auch lieber "Asylbewerberheime in Deutschland: Fast jeden Tag ein Anschlag".