Dienstag, 7. Dezember 2010

"Wetten, dass ..?" die Heuchelei noch unerträglicher wird?

Wer die letzten Tage nicht gerade in einer abgeschiedenen Höhle verbrachte, hat höchstwahrscheinlich mitbekommen, dass in der letzten "Wetten, dass ..?"-Sendung ein junger Kandidat namens Samuel K. bei der Ausübung seiner Wette einen schweren Unfall erlitt (Seine Ärzte verkündeten heute, dass sie eine vollständige Erholung von seinen Lähmungen für "unwahrscheinlich" halten).

Das ist schlimm für den jungen Mann und auch schlimm für seine Angehörigen beziehungsweise sein näheres Umfeld. Aber es ist nicht schlimm "für ganz Deutschland". Natürlich stürzen sich vor allem die Drecksmedien unseres Landes auf ihn wie die Geier auf verschimmeltes Aas. Überall verlinken sie das Video zum Unfall und zeigen die Bilder nach dem Sturz, die die Bildregie des ZDF sympathischerweise nicht zeigte. Allen voran natürlich wieder mal die BILD-Zeitung, deren heuchlerisches Pharisäertum hier ja weiß Gott nicht zum ersten Mal deutlich wird. Dieser Beitrag des von mir äußerst geschätzten BILD-Blog beschreibt, was ich meine.

Aber auch "seriöse Journalisten" wittern die Chance, die sinkenden Auflagen ihrer Auftraggeber zu steigern. Da wird über die "Quotengier" (sic!), "Sensationslust" (sic!!!) und dem "Absetzen von Wetten, dass ..?" mit seinen "unverantwortbaren Wetten" geschrieben, dass sich die Tastaturen biegen. Ich sehe ja ein, dass sie ihre Artikel mit etwas anderem füllen wollen, als immer nur über den "extremen Jahrhundertwinter", "viel zu frühen Schnee", sowie "explodierende Winterreifen-Preise" zu schreiben, aber eventuell könnten sie ja mal die Kirche im Dorf lassen?

Meiner Meinung nach …
  • wurde Samuel K. nicht dazu gezwungen, diese Wette anzubieten/durchzuführen, sondern tat dies freiwillig. Dass das Risiko einer Verletzung hier größer war als beispielsweise bei Gedächtnis-Wetten oder Traubenweitwurf, musste jedem Beteiligten von Anfang an einleuchten
  • verdient jeder bleibende Schaden nach einem unverschuldeten Autounfall mehr Mitleid (über diese zigtausend Fälle pro Jahr schreibt aber keiner, es sei denn, es handelt sich um Lady Diana oder einen anderen sogenannten "Promi", mit dem man Auflage machen kann). Ganz zu schweigen von Arbeits- oder Sportunfällen (Forderte jemand eigentlich die Abschaffung des Profi-Fußballs als zuletzt mehrere Berufskicker an Herzinfarkten starben?)
  • haben sich sowohl die Redaktion als auch die Moderatoren von "Wetten, dass ..?" angemessen verhalten und adäquat reagiert
  • liegt auch keine erkennbare Wandlung des Senders vor, zuletzt immer gefährlichere Wetten in die Sendung zu nehmen - vor allem, wenn man an den BMX-Biker denkt, der einmal das Dach eines Hauses übersprang - was bereits 2 Jahre her ist
  • muss nicht das ZDF "Wetten, dass ...?" komplett überdenken, sondern die Schreiberlinge ihre Ergüsse - und sich nebenbei vielleicht auch noch mal in die Birne hämmern, dass Samuel K. und sein Umfeld jetzt höchstwahrscheinlich vor allem RUHE wollen und nicht jeden Tag zusammengeklaute Fotos/Zitate aus dem Leben des Verletzten präsentiert bekommen möchten
Allerdings überfordert das diese Schmeißfliegen natürlich. Aber nach der heutigen Festnahme von WikiLeaks-Gründer Assange können sie sich ja an einem anderen Thema austoben, von dem sie nichts verstehen. Da geht es ja immerhin um Vergewaltigungen von blonden Schwedinnen, da müssen sich doch bestimmt Fotos und Stimmen auftreiben lassen …

8 Kommentare:

  1. Wieso soll es "korrekt" sein wenn das Video nicht gezeigt wird?
    Gerade weil wir hier so einen qualitativ schlechten Journalismus haben muß das Video gezeigt werden, damit man sich selbst eine Meinung bilden kann.

    Und meine Meinung ist, dass das offene Schiebedach eine
    mögliche Ursache für die schwere Verletzung sein könnte. Im Video kann man sehen wie das Genick des Kandidaten vor die Kante schlägt.
    Warum war das Schiebedach, entgegen jeder Vernunft, geöffnet?
    Damit man eine weitere Kameraposition zur Verfügung hatte. Das ging aber zu Lasten der Sicherheit, weil die Kante des geöffneten Daches so zur fatalen Gefahr wurde.
    Daraus folgt: wenn die obigen Thesen richtig sind, dann hat die Produktionsfirma eine Mitschuld an der Schwere der Verletzung.

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  2. Anmerkung des Autors: Das "korrekt" bezog sich auf die Bilder NACH dem Sturz, die das ZDF korrekterweise/sympathischerweise NICHT zeigte - sondern statt dessen ins Publikum schwenkte. Die von mir angesprochenen Medien hingegen zeigen sie natürlich trotzdem und bedienen damit die Gaffer, die sich bei schweren Autounfällen die Hälse verrenken, um möglichst viel Blut und Verletzungen sehen zu können - um dann zu sagen "Mein Gott, wie furchtbar!" ...

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  3. Ich finde sehr wohl, dass auch beim ZDF Bedarf an Nachdenken und Handeln besteht. Wer im Qupotenkampf gegen RTL immer mehr Skrupel verliert, übermütige und aufmerksamkeitheischende Wettkandidaten ihr Leben riskieren zu lassen, hat sich von jeder Fürsorgepflicht und Mitverantwortung verabschiedet. Nach fast 30-jähriger Erfahrung sollte der "Wetten, dass ...?"-Redaktion bewusst sein, dass es Menschen gibt, die man vor sich selbst schützen muss, auch wenn sie erwachsen sind (jedenfalls dem Alter nach). Aber nein, es muss ja die unersättliche Sensationsgier des auf dem Wege der Verblödung befindlichen Publikums (sowohl im Saal als auch an den häuslichen Fernsehern) befriedigt werden, damit die schwachsinnsgesteuerte Quote stimmt. Und all das sagt nicht nur etwas über einzelne Wettkandidaten aus, die mit halsbrecherischen Aktionen berühmt werden wollen, auch um den Preis mindestens der eigenen Gesuundheit, sondern auch und vor allem über den Zustand unserer Gesellschaft. Die Medien sind nur deren Spiegelbild.

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  4. @ZB (Ich bin der erste Kommentator) Ich respektiere Deine Meinung, aber meine ist eine andere.
    Ich bin gegen das Wegschauen, im Gegenteil, man sollte genau hinschauen. Auch nach dem Unfall.
    Denn auch auch gerade dann können Fehler gemacht worden sein. Wurde der Verletzte bewegt? Wurde die Bergung des Verletzten korrekt durchgeführt? Usw.

    Und nochmal zum Video des Unfalls. Mittlerweile ist es schwer zu finden. Bei YouTube hat die Produktionsfirma
    die meisten Clips sperren lassen. Warum wohl?
    Ich meine, weil die Frage im Raum steht: Warum war das Schiebedach geöffnet?

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  5. Mal ne Frage: Waren eigentlich Notfalldienste vor Ort? Hat man wenigstens daran gedacht?

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  6. Ich stimme ZB völlig zu.
    Ein Stuntman von 23 Jahren hat das Recht, sich für einen risikoreichen Stunt zu entscheiden. Das tun Leute in dieser Branche jeden Tag - nicht zuletzt, weil sie ihr Geld damit verdienen. Dieses Motiv hat offenbar auch für Samuel K. eine Rolle gespielt; er konnte sich als Stuntman einem Millionenpublikum vorstellen und dazu noch die Powerriser promoten, die im Übrigen von einem guten Freund vermarktet werden.

    Wie wir nun wissen, ist die Sache schrecklich schief gegangen. Dies nun aber denjenigen anzulasten, die Samuel K. - im wahrsten Sinn des Wortes - die Bühne zur Verfügung stellten, halte ich für eine Fehlattribution allererster Kajüte. Wer, zur Hölle, hätte das Risiko eines solchen Stunts besser einschätzen können als derjenige, der mit diesen Dingern unter den Füßen schon zig Sprünge dieser Art ausgeführt hat?

    Wenn man die Postings hier und an anderen Boards durchliest, erhält man den Eindruck, Außenstehende hätten quasi sofort erkennen müssen, dass man bei einem solchen Sprung mit dem Kopf zuerst aufkommen und in der Folge Lähmungserscheinungen erleiden kann.
    Leute, wenn das dem Springenden selbst nicht klar ist, wem dann? Schon mal darüber nachgedacht, dass der Ausgang dieser Wette nicht nur nicht wahrscheinlich, sondern sogar ziemlich unwahrscheinlich war? Und dass einfach ein schlimmer Unfall passiert ist, den genau so niemand vorhersehen konnte, nicht einmal der Ausführende selbst?

    Der Reflex, in tiefer Erschütterung über den tragischen Ausgang eines Medienspektakels nach dem schuldigen Dritten zu suchen, ist wahrscheinlich allzu menschlich. Ich kann mir allerdings konstruktivere Arten vorstellen, menschliche Regungen auszuleben.

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  7. Jeder, der hier seinen Senf dazu gibt lebt seine Regungen aus. Und warum soll man nicht dagegen sein, dass so ein Müll gesendet wird! Bin ich daran vielleicht sogar mitschuldig nur weil ich GEZ-Gebühren bezahle ...? Ich meine, hier werden hunderte Kommentarseiten gefüllt und ziemlich viele beschweren sich dabei ausgerechnet darüber, dass dieser Fall so viel Aufmerksamkeit genießt. Nun ja, in der Antike haben die Leute wohl nur über die Gladiatoren gequatscht und heute ist es eben so etwas. Ob dafür oder dagegen, jeder hat eben seine Meinung und will sie los werden. Also ich rege mich wahrscheinlich deshalb so auf weil ich noch nie einsehen wollte. weshalb ich für so was Gebühren zahle und für TGs Millionengehalt. Trotzdem zahle ich weil es nicht anderes geht. Da darf man sich ja wohl aufregen, oder? Im alten Rom war der Circus übrigens umsonst - ich bezahle sogar für etwas, was ich überhaupt nicht sehen will. Und nun zahlt auch noch die Allgemeinheit für die Folgen! Nur B*ld verdient natürlich kräftig weiter - jetzt ist es aber wirklich Zeit für mich, diesen Mist zu vergessen!

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  8. Schmeißfliegen ist als Vergleich vielleicht bissel heftig. Das ist halt die typische Vuvuzela-Journaille: alle blasen aus dem gleichen Loch, und jeder bemüht sich lauter als der andere zu tröten.

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