Montag, 5. April 2010

Computer-Probleme? Hirn ausschalten und HelpDesk anrufen!

Etwas, woran ich mich bei meinem Job als IT-Supporter wahrscheinlich nie gewöhnen werde, ist die Bereitschaft des Users, sofort sein Hirn auszuschalten, sobald er mit einer Fehlermeldung (oder was er dafür hält) seines Computers konfrontiert wird.

Ich werfe dem User dabei gar nicht vor, dass er keine Lust hat, monatelang Handbücher und Foren zu durchkämmen, um seinen PC besser verstehen zu können. Aber ich werfe ihm vor, dass er oft gar keine Bereitschaft zeigt, irgend etwas hinzulernen zu wollen. Erschwerend kommt hinzu, wenn er proaktive Informationsmails seines HelpDesk ignoriert und darauf auch noch stolz ist.

Beispiel 1:
Wir müssen ein neues Release unseres SAP-Programms verteilen, weil das Bisherige zum Einen nicht mehr vom Hersteller unterstützt wird und zum Anderen nicht die Funktionalitäten bietet, die die Konzernleitung wünscht. Also schnürt unsere Fachabteilung ein Installationspaket, welches dem User direkt nach dem Einloggen am PC automatisch zugewiesen wird. 3x hat er die Möglichkeit, diese Installation abzulehnen, danach wird es "zwangsweise installiert". Natürlich kündigen wir das mit ausreichendem Vorlauf 2 x an. Das erste Mal 14 Tage vor dem Start, das zweite Mal 3 Tage vorher. Und: Wir markieren diese Mail mit "Hoher Priorität" und verpassen ihr auch eine entsprechende Betreffzeile. Zusätzlich stellen wir diese Information ins Intranet.

Was passiert also nach dem 4. Einloggen des Users? Richtig, das Programm wird installiert - aber es passiert noch etwas. Er ruft an, um sich a) zu beschweren, "dass da was installiert wird" oder b) um zu fragen "was da installiert wird". Es nützt NICHTS, ihn darauf hinzuweisen, dass er darüber doch 2x per Mail informiert wurde und lässt einen das auch wissen: "Ich kriege so viele Mails am Tag, die kann ich eh nicht alle lesen!" (das sollte man mal seinen Vorgesetzten wissen lassen, dem er bei seinem Vorstellungsgespräch bestimmt etwas anderes erzählt hat) bzw. "Gesetzt dem Fall, ich habe die Mail nicht gelesen, was nun?" Ich frage mich, wie er reagieren würde, wenn ich ihm sagte: "Ach wissen Sie, ich kriege so viele Anrufe täglich, Ihnen kann ich nicht auch noch zuhören!"

Diesen Leuten ist es egal, dass sie die "telefonische Warteschlange" erst bilden bzw. verlängern und so dafür sorgen, dass User mit echten Computerproblemen nicht mehr durchkommen. Ihnen ist auch egal, dass sie zu den ca. 30% aller User zählen, die grundsätzlich ALLE Mails der IT ignorieren. Bitter ist nur, dass 30% von 3.000 eine ausreichend hohe Menge darstellen, um das Durchkommen zu uns unmöglich zu machen - und nicht nur unseren Service Level, sondern auch unsere Laune zu versauen.

Beispiel 2:
Natürlich gibt es bei Installationen auch mal Fehler und Abbrüche. Meist liegt das daran, dass ein User sein Arbeitsgerät durch inkompetente Behandlung bereits so ruiniert hat, dass einfachste Windows-Routinen nicht mehr funktionieren können. Manchmal muss man eine Installation aber auch einfach nur in 2 Schritte zerlegen, damit sie nach einem Neustart automatisch fortgesetzt wird. Für solche Fälle zeigt sich unsere Fachabteilung durchaus kreativ und  schreibt Fehlermeldungen, die eigentlich selbsterklärend sein sollten. Zum Beispiel diese: "Achtung: Das Programm XYZ wurde noch nicht vollständig installiert. Dies wird aber direkt nach einem Neustart automatisch passieren. Sie müssen nicht bei Ihrem HelpDesk anrufen. Klicken Sie auf OK, um Ihren Computer jetzt neu zu starten und die Installation nach dem Neustart fortzusetzen."

Die entsprechenden Kollegen wollten mir nicht glauben, dass mehr als 80% aller User, die diese Meldung überhaupt zu Gesicht bekamen, bei uns anriefen: "Ich hab da so ne Fehlermeldung, dass da was nicht installiert wurde!". "Ja, welche Meldung denn genau?". "Äh, da steht, dass ich Sie nicht anzurufen brauche." Na dann ...

Beispiel 3:
User vergessen gerne ihre Passwörter. Das ist menschlich und muss man ihnen nicht vorwerfen. Naja, manchen schon. Zum Beispiel denen, die 5x pro Woche anrufen, weil sie ihr SAP-Passwort vergessen haben. Für solche User wurde extra eine kleine Intranet-Seite eingerichtet, auf der sie nur ihre Mailadresse einzugeben brauchen - dann geht ihnen automatisch ein neues Passwort per Mail zu. Den Link zu dieser Intranet-Seite schicken wir ihnen bis zu 5x wöchentlich. Dass in dieser Mail extra eine kleine bebilderte Anleitung steht, wie sie ein Lesezeichen auf diese Seite setzen können (bzw. sie den Browser-"Favoriten" hinzufügen können) wird ebenso ignoriert, wie der Hinweis, dass man sich diese Mail bitte aufheben soll, falls man den Link künftig noch einmal benötigt. Warum auch? Der HelpDesk wird doch schließlich "fürs Telefonieren bezahlt"

Beispiel 4:
Unsere Hinweise auf Software-Schulungen bzw. das reichhaltige E-Learning-Angebot werden oft mit den Hinweisen "Das zahlt mein Chef nicht!" oder "Für so was habe ich keine Zeit!" abgeschmettert. Also lässt sich ein User jedes Mal aus Neue zeigen, wie er in Word eine Tabelle einfügt, in Excel eine bedingte Formatierung eingibt oder in Powerpoint eine Animation (sollte übrigens unter Androhung der fristlosen Entlassung verboten werden!) definiert. Unsere umfangreichen FAQs, die wir ins Intranet stellen, werden ebenso wenig genutzt wie die eingebauten Programm-Hilfen. Tatsächlich habe ich schon oft Folgendes erlebt: Ich schalte mich auf den Computer des Users, klicke dann in seinem Word auf den Menüpunkt "Hilfe" und gebe als Suchtext "Tabelle" ein. Sofort springen einem die Ergebnisse und entsprechenden Erklärungs-/Hilfe-Texte entgegen. Statt aber eines "Ah, prima. Dann kann ich das ja das nächste Mal selbst nachschlagen" bekomme ich dies zu hören: "Ja und? Was steht da jetzt?" Entgeistert sage ich dem User: "Äh, ich kann es Ihnen gerne vorlesen" "Ja, das ist nett!" tönt es aus dem Hörer. Und während ich das tue und mich an den Gedanken klammere, dass mein Sohn es ja auch immer gerne hat, wenn  ich ihm etwas vorlese, weiß ich, dass ich das bei diesem User nicht zum letzten Mal getan haben werde.

Noch mal: Niemand darf von einem durchschnittlichen Computer-Nutzer verlangen, dass er sich ein umfassendes IT Know-how aneignet. Aber: Bevor ich als Fernfahrer Güter von A nach B transportiere, gehe ich in eine Fahrschule. Bevor ich mich als Handwerker bewerbe, sollte ich in der Lage sein, einen Hammer von einer Zange zu unterscheiden. (ICH habe zum Beispiel keine Ahnung von Autos, käme mir aber trotzdem sehr dämlich vor, wenn ich mir in meiner KFZ-Werkstatt zum 5. Mal zeigen lassen würde, wo man Spritzwasser nachfüllt, bzw. den Ölstand misst). Also: Wer seinen Bürojob mit einem PC erledigen muss, sollte wenigstens gewillt sein, etwas dazu zu lernen und nicht bei jedem kleinsten Vorfall sein Hirn auszuschalten und seinen HelpDesk anzurufen. Schon gar nicht, wenn er zum 5. Mal in der Woche dasselbe fragt und darüber auch noch lacht. Meist lacht er nämlich alleine. Noch schlimmer sind allerdings die, die auch noch aggressiv und verbal verletzend werden. Da lacht dann nämlich gar keiner mehr.

Samstag, 3. April 2010

Schmand am Gründonnerstag

Gründonnerstag, 18 Uhr. Ich habe bewusst diese Uhrzeit zum Einkaufen gewählt, da der Deutsche an sich um diese Zeit gerne sein Abendbrot zu sich nimmt. So steuere ich also meinen lokalen REWE-Markt an und drehe gleich wieder um: Der Parkplatz ist brechend voll - teils stehen die Autos bereits in 2. Reihe.

Viel brauche ich eigentlich gar nicht - die Butter ging mir am Vortag aus, Schinken auch und für den nächsten Tag benötige ich noch etwas Schmand. Ich parke also in einer Nebenstraße und betrete das Grauen: Schlecht gelaunte Panikkäufer schieben ihre zum Bersten gefüllten Einkaufswagen durch die überfüllten Gänge. Um am Kühlregal die Butter erblicken zu können, muss man sich erst einmal anstellen. Ich fühle mich im falschen Film. Ist eine Krise ausgebrochen? Irgendwo eine Atombombe detoniert? Hat Bin Laden die Großlager der REWE-Märkte bombardieren lassen? 

Viel Zeit für eine Produktauswahl habe ich nicht. Kaum stehe ich endlich in Reichweite der gewünschten Lebensmittel spüre ich schon zischelnde Unruhe hinter mir. Gierige Hände wollen bereits nach den abgepackten Wurstscheiben aus unglücklichem Schweinefleisch greifen - ja, der Panikkäufer weiß genau, was er will, der braucht nicht zu überlegen. Wahrscheinlich hat er seinen seitenlangen Einkaufszettel bereits am Morgen verfasst - und den gilt es jetzt zielstrebig abzuarbeiten.

Schmand, Schmand, ich finde keinen Schmand. Neben mir ein gleichaltriger Herr, der ebenfalls bestürzt die leeren Regalflächen absucht und schließlich seinen Zeigefinger auf die Beschriftung legt: "Hier stand der Schmand. Gibt's doch nicht, alles weg!". Ich wittere einen Bruder im Geiste: "Ich nehme an, Sie wollten auch keinen Großeinkauf machen, oder?" Unruhig blickt er um sich, als vermute er lauschende Ohren, dann raunt er mir zu: "Die sind doch bekloppt hier. Vor jedem Feiertag dasselbe - es wird eingekauft, als gäbe es wochenlang nichts mehr zu fressen. Meine Frau arbeitet als Käseverkäuferin auf einem Wochenmarkt, die hat mich gerade angerufen, dass sie heute den umsatzstärksten Tag des Jahres hatte. Schauen Sie sich mal die Einkaufswagen an."

Und in der Tat, es ist kaum vorstellbar, dass diese Tonnen an Lebensmitteln nur am morgigen Karfreitag verzehrt werden. An den Kassen lange Schlangen. Ich habe nur 3 Sachen zu bezahlen (statt Schmand nahm ich dann eben Crème fraîche), aber vorlassen tut mich natürlich niemand. Es ist Krieg, da denkt jeder erst mal nur an sich. Wer weiß, wann die Geschäfte wieder aufmachen? Ich bin mir zwar sicher, dass das bereits übermorgen wieder der Fall sein wird, bin mir aber ebenso sicher, dass das Spiel dann wieder von vorne beginnt: Denn dann muss man ja sogar 2 einkaufsfreie Ostertage überbrücken. Es empfiehlt sich also, den PKW zuhause zu lassen und einen 7-Tonner zu mieten, um die Einkäufe komplett nach Hause bringen zu können. Sicher ist sicher.