Samstag, 12. Juni 2010

Warum Vuvuzelas nerven

Gestern begann die Fußball-WM in Südafrika und was ich befürchtete, trat ein: Die Live-Übertragungen sind (völlig unabhängig von der spielerischen Qualität der Begegnungen) eine Katastrophe. Der Grund dafür sind die unsäglichen "Vuvuzelas" - trompetenähnliche Geräuscherzeuger, der aufgrund ihrer Bauart allerdings selbst Könner maximal 3 Tonhöhen entlocken können - sie haben mit Musikinstrumenten daher etwa so viel zu tun, wie Schwäbisch mit Hochdeutsch.

Dass die Dinger über 120 DB laut werden und damit Gehörschäden hervorrufen können, ist ja längst bekannt und tangiert mich wenig, da ich die Spiele ja Gott sei Dank nicht im Stadion, sondern vorm TV verfolge - auch Public Viewing vermeide ich selbstredend, denn viele meiner Landsleute folgen dem geistlosen Herdentrieb und stellen ihre mangelnde Individualität ebenfalls bereits laut trompetend unter Beweis. Aber auch wenn ich im Wohnzimmer sicher keinen Hörsturz davon tragen werde, stelle ich fest, dass mir dieses konstant monotone Geräusch (irgendwo zwischen Bienenschwarm und Elefantenherde) ziemlich auf die Nerven geht. Zwar bietet "Sky Sport" seinen zahlenden Zuschauern die Möglichkeit, den Kommentator per Optionstaste auszublenden (was ich bei dumpfen Nervbacken wie Fritz von Thurn und Taxis auch immer gerne tue), aber eben keine "Vuvuzela-OFF"-Taste - obwohl das technisch kein Problem wäre - da sich ihre Frequenz ziemlich leicht weg filtern ließe. (Nachtrag: Seit dem 16. Juni bietet Sky doch eine solche Option an: 1x mit Vuvuzelas und 1x ohne - diese funktioniert recht gut)

Fifa-Präsident Joseph Blatter weigert sich übrigens, die Vuvuzelas verbieten zu lassen (was schon seit dem letzten Confed-Cup mehrere Spieler, Trainer und Funktionäre forderten), da sie "ein Teil der afrikanischen Kultur" seien und ein Verbot "diskriminierend" wäre. Hier ein paar Gegenargumente:
  • Dass die Vuvuzela, (die ursprünglich aus den USA und China importiert wurde und ihre ersten nennenswerten Südafrika-Verkäufe in den 90er Jahren startete), "afrikanisches Kulturgut" sein soll, ist hochgradig lächerlich. Etwas, was erst seit maximal 10 Jahren bekannt ist, kann kein "Kulturgut" sein
  • Das Spiel wird kaputt geblasen, weil die Spieler die Anweisungen ihrer Trainer nicht mehr hören können und selbst die Spieler untereinander keine verbale Kommunikation mehr führen können (wie die mexikanische Mannschaft gestern Abend bestätigte). Immer mehr Spieler (die ja nun mal die wichtigsten Akteuere dieser WM sind und jahrelang auf dieses Turnier hingearbeitet haben) geben an, dass sie vom Dauerpegel genervt sind und nach Spielende halb taub in die Kabinen gingen. Worin liegt also der Nutzen oder Sinn, die Laune/Leistungsfähigkeit der besten Fußballspieler der Welt zu beinträchtigen? Auch wenn manche es nicht glauben wollen: Fußball findet auch im Kopf statt und Kommunikation gehört dazu
  • Die Atmosphäre im Stadion wird völlig verhunzt. In diesem Blog-Beitrag bemängelt ein südafrikanischer Redakteur, dass die "Gesänge" und "Trommeln/Rhyhtmen", die früher immer die Akustik eines Fußballspiels ausmachten, durch einen monotonen Dauerton unerträglicher Lautstärke ersetzt wurde. Die Folge: Niemand "erfindet" mehr neue Fangesänge oder Schlachtrufe, weil man sie eh nicht mehr hören kann. Die sonst vorhandene akustische Dynamik eines Fußballspiels wird komplett  zunichte gemacht. Wenn eine Heim-Mannschaft schlecht spielt, herrscht normalerweise "Totenstille" - bei manchen Aktionen "geht ein Raunen durchs Stadion", bei Angriffen "tobt ein Hexenkessel", bei erzielten Toren gibt es "ohrenbetäubenden Jubel" - all das fällt weg -  Stevie Wonder hätte jedenfalls keine Chance mitzubekommen, dass ein Tor fällt. Kurz: Niemand kann seine Mannschaft mehr "nach vorne peitschen"
  • Die genauso unsäglichen "Gas-Hupen", die früher in den Fußballstadien eingesetzt wurden, sind längst verboten. Warum? Weil sie das Gehör schädigen können. Niemand käme auf die Idee, zu jammern, dass die aber "ein Teil der europäischen Kultur" seien und man durch ihr Verbot "diskriminiert" werde
  • Wenn eine Nation Gastgeber einer Fußball-WM ist, sollte sie auch einigermaßen gastfreundlich sein - was diesen Punkt angeht. Es hat ja keiner was dagegen, wenn Südafrika-Fans beim Spiel gegen Frankreich in ihre Vuvuzelas blasen - damit helfen sie laut ihrem Nationaltrainer ihrem Team sogar. Aber warum tun sie das auch bei Griechenland - Südkorea? Zu einer WM gehören auch die Fangesänge aller teilnehmenden Nationen - und nicht nur ein immer gleiches Dauergeräusch
  • Es ist übrigens auch nicht "typisch deutsch", ein Verbot dieser "Instrumente" zu fordern (bzw. sie für Public Viewing zu verbieten) sondern ein internationaler Wunsch. Online-Petitionen dieser Art gibt es mittlerweile in allen Ländern, deren Teams an der WM teilnehmen (selbst in Südafrika). Zudem erteilte der Südafrikanische Rugby-Verband den Vuvuzelas bereits ein Stadion-Verbot für dortige Rugby-Spiele - dann sollte das auch für Fußball möglich sein
Und was ich mich vor allem frage: Was treibt die Dauerbläser eigentlich an? Ich habe selbst ein paar Mal in so ein Ding geblasen, als mein Sohn es im Supermarkt per Rubbellos gewann: Es ist ziemlich anstrengend für Lunge und Lippen, da einen halbwegs geraden Ton für ein paar Sekunden zu halten. Es fiele mir nicht im Traum ein, das über 90 Minuten (oder meinetwegen auch nur 10 Minuten) lang zu machen - was habe ich denn dann noch vom Spiel selbst? Ich zahle doch nicht Eintritt für einen Stadionplatz, nur um mich selbst um das Match zu bringen? Aber das ist wohl so eine dieser Fragen, auf die man keine Antwort bekommt - es sei denn, ich würde sie einem Fan in Südafrika stellen, der sich aber sicher nicht auf diesen Blog verirren wird …

PS. (3 Tage später) Mittlerweile habe ich Zuschriften von aktiven Trötern erhalten. Als Antwort auf meine Frage schreiben sie: "Macht doch Spaß!". Ihnen möchte ich erwidern: Furzen kann auch Spaß machen - aber nicht, wenn es 50.000 Leute gleichzeitig tun

15 Kommentare:

  1. Guter Eintrag, schön geschrieben. Und ich kann dir nur zustimmen, die Dinger machen die Live-Übertragung total kaputt. Leider ist vuvuzelas.org im Moment total überlastet, denn ich möchte dort die Online Petition zum Verbot der Tröten zu unterzeichnen. Vielleicht reagiert die Fifa wenn dort mehrere Millionen Fussball Fans zusammen kommen. Ein spannender Gedanke ist auch das herausfiltern der Frequenz um wenigsten den TV Genuss wiederherzustellen.

    AntwortenLöschen
  2. Sehr guter Text!!! Den Spielen fehlt jegliche Atmosphäre. Schaue die Spiele mit meinen Kindern.
    Der Kleine (9 Jahre), bekam nach 20 Minuten Kopfweh und wollte nicht weiterschauen. Ich bin nur noch genervt.
    Ich glaube, es hilft nur ein Fernsehzuschauer-Boykott. Wenn die Quote flöten geht wachen die Fernsehanstalten vielleicht mal auf und machen der Fifa Druck!

    AntwortenLöschen
  3. Diese Tröten sind das Gegenteil von Stimmung. Als die WM nach SA vergeben wurde, hat Blatter selbst etwas in der Art gesagt: "this will be a very African championship, with drums and many colors". Von Tröten hat er nichts gesagt. Und dabei sind die doch so ein wesentliches Kulturgut.

    Trick 17: Ein Spiel aussuchen und im Netz einen Boykott organisieren. Keiner schaut's in Deutschland, vielleicht sogar in Europa. Finanzielle Argumente versteht Blatter durchaus. Ich schlage Dänemark - Japan am 24.6. vor. Der Schmerz es nicht zu sehen dürfte selbst für hartgesottene Fans erträglich sein.

    Wir sind die Fans!

    AntwortenLöschen
  4. stephans netzgeflyster12. Juni 2010 um 23:23

    manueller Trackback:

    Vuvuzelas - Offener Brief an die WM-Sender

    "Sehr geehrte Damen und Herren von ARD, ZDF und RTL,

    Sie haben dieses Jahr die Aufgabe übernommen, WM-Feeling auf die deutschen Bildschirme zu bringen. Nur leider gelingt Ihnen dies bis jetzt nicht so recht - Sie werden wissen worauf ich anspiele: Das Dauergetute der Vuvuzelas.

    Ich sitzte gerade vor dem Spiel England - USA, und ich höre Ihre Kommentatoren nicht. Ich habe den Ton schlicht ausstellen müssen, sonst bekäme ich Kopfschmerzen. ..."

    AntwortenLöschen
  5. Ich hab mich so auf diese WM gefreut. Aber dieses monotone getröte ist einfach unerträglich. Ich werd mir weitere Spiele ersparen, da nix an Stimmung rüberkommt.

    AntwortenLöschen
  6. Super Text! Die Dinger machen die WM kaputt. Ich bekomme jedesmal Kopfschmerzen. Die Spiele leiden auch drunter. Weiter so und Südafrika 2010 wird für die FIFA ein Fiasko! Mir vergeht die Lust auf die WM mehr und mehr. Schade da freut man sich 4 Jahre drauf und dann tröteten die rücksichtslosen "Fans" alles kaputt.

    AntwortenLöschen
  7. Gut gebrüllt Löwe.

    Alles richtig !!!

    AntwortenLöschen
  8. Bin dauergenervt. Wie soll man sich da noch selbst einbringen?

    AntwortenLöschen
  9. jau jungs!

    ihr seid alles spassbremsen und geht zum lachen in den keller.

    viel spass im dunkeln!

    AntwortenLöschen
  10. An den Vorposter: Text gelesen und verstanden? Sind all die Fußballspieler, die sich über den Lärm beschweren, also auch alles "Spaßbremsen", die "zum Lachen in den Keller gehen?"

    Ich sehe es wie der Autor: Die Spieler sind die Hauptakteure (ohne sie gäbe es die WM ja gar nicht) - und wenigstens auf ihre Beschwerden sollten die Tröter Rücksicht nehmen.

    Bei Tennis-Spielen würden die Tröter raus geschmissen!

    AntwortenLöschen
  11. 100% Zustimmung. Uweseelers sind unerträglich und gehören weltweit verboten.... vgl. Genfer Kriegswaffenkontrollgesetz.... *scnr*

    AntwortenLöschen
  12. Ursprünglich aus Blech hergestellt, wurde die Vuvuzela in Südafrika in den 1990er Jahren entwickelt. (http://de.wikipedia.org/wiki/Vuvuzela#Geschichte)

    AntwortenLöschen
  13. Ich glaube, dass im Gegensatz zum Vuvu-Getöse ein 50.000-Personen-Dauerfurz durchaus lustig sein könnte. Es sollte allerdings eine Nichtraucherveranstaltung sein.


    (Fäkalhumor geht immer!)

    AntwortenLöschen
  14. Mir gehen zusätzlich noch die ganzen Fahnenschwenker auf n Sack. Es ist nicht so, dass sich jeder für Brot&Spiele interessiert, Trotzdem dominiert Fussball sämtliche Medien. Ist also ähnlich wie die Vuvuzela-Dominanz im akustischen Bereich. Kurz&knapp: Einfach ausschalten & in den Urlaub fahren.

    AntwortenLöschen